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24.06.2022

Private Krankenversicherung: Prämienerhöhungen basieren auf wirksamer Grundlage

Prämienerhöhungen in der privaten Krankenversicherung sind laut Bundesgerichtshof (BGH) auf Grundlage des § 8b Absatz 1 MB/KK 2009 (Musterbedingungen 2009 des Verbandes der privaten Krankenversicherung) in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers möglich. Dies betreffe Beitragserhöhungen, bei denen der Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung über dem tariflich festgelegten Prozentsatz von fünf Prozent ergeben hat, der gesetzliche Schwellenwert von zehn Prozent aber nicht überschritten wird.

Der Kläger wendet sich gegen mehrere Beitragserhöhungen seines privaten Krankenversicherers, die er für unwirksam hält, und klagt daher unter anderem auf Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat dies zum Teil abgeändert und die Beklagte unter anderem zur teilweisen Rückzahlung der Prämienanteile verurteilt. Dabei hat es angenommen, dass mehrere Prämienerhöhungen wegen einer unzureichenden Begründung in den Mitteilungsschreiben zunächst nicht wirksam geworden seien. Weitere Prämienanpassungen hat es dagegen für endgültig unwirksam gehalten, da die Beitragsanpassungsklausel in § 8b Absatz 1 und 2 MB/KK unwirksam sei.

Soweit die Klage Erfolg hatte, richtet sich dagegen die Revision der Beklagten.

Der BGH hat hinsichtlich der Prämienanpassungen, die das Berufungsgericht für materiell unwirksam gehalten hat, das Berufungsurteil nicht bestätigt. Für diese Erhöhungen bestehe eine wirksame Prämienanpassungsklausel in § 8b Absatz 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarifbedingungen des Versicherers.

Zwar sei § 8b Absatz 2 MB/KK unwirksam. Diese Regelung weiche entgegen § 208 Satz 1 Versicherungsvertragsgesetz (VGG) zum Nachteil des Versicherungsnehmers von § 203 Absatz 2 Satz 1 VVG ab. Während nach der gesetzlichen Vorschrift eine Prämienanpassung zwingend voraussetzt, dass die Veränderung einer für die Prämienkalkulation maßgeblichen Rechnungsgrundlage nicht nur als vorübergehend anzusehen ist, sehe § 8b Absatz 2 MB/KK vor, dass der Versicherer bei einer nur als vorübergehend anzusehenden Veränderung von der Prämienanpassung absehen "kann", das heiße, auch in diesem Fall sei sie nicht ausgeschlossen.

Die Unwirksamkeit von § 8b Absatz 2 MB/KK habe aber nicht zur Folge, dass auch § 8b Absatz 1 MB/KK unwirksam und die darauf bezugnehmende Regelung in den Tarifbedingungen des Versicherers nicht mehr anwendbar wäre. § 8b Absatz 1 MB/KK weiche nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers von den gesetzlichen Vorschriften über die Prämienanpassung ab. Die Klausel enthalte dieselben Voraussetzungen wie § 203 Absatz 2 VVG und erlaube eine Prämienanpassung insbesondere nur bei einer Veränderung der Rechnungsgrundlagen, die nicht nur als vorübergehend anzusehen ist. Mit der Regelung des § 8b Absatz 1 MB/KK in Verbindung mit den Tarifbedingungen mache der Versicherer allein von der ihm in § 155 Absatz 3 Satz 2 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) eröffneten Möglichkeit Gebrauch, den Schwellenwert für die Prüfung einer Beitragsanpassung von zehn auf fünf Prozent abzusenken.

Der Bestand der Regelung in § 8b Absatz 1 MB/KK werde auch durch die Streichung von § 8b Absatz 2 MB/KK nicht beeinträchtigt, da der Sinn der verbleibenden Regelung weiterhin aus sich heraus verständlich ist.

Die Revision hatte zum Teil Erfolg und führte zu einer teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils. Hinsichtlich mehrerer Nebenforderungen ist das klageabweisende Urteil des LG wiederhergestellt worden. Soweit das Berufungsgericht zu Unrecht von einer materiellen Unwirksamkeit der Prämienanpassungen ausgegangen ist und deren formelle Wirksamkeit noch nicht geprüft hat, hat der BGH die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit es diese Prüfung nachholen kann.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.06.2022, IV ZR 253/20