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16.11.2022

Teilnahme an Online-Glücksspielen: Rückzahlungsanspruch eines Spielers

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat das Bestehen eines Rückzahlungsanspruchs im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen bejaht.

Der Kläger nahm auf der von der Beklagten – von ihrem Sitz im europäischen Ausland aus – betriebenen Website an Online-Glücksspielen, hier in Form von "Poker" und "Black Jack", teil. Seine auf die Rückzahlung seiner Spieleinsätze gerichtete Klage blieb erstinstanzlich erfolglos. Auf die dagegen gerichtete Berufung hat das OLG das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben.

Es komme deutsches Recht zur Anwendung, stellt das OLG zunächst klar. Nach Maßgabe dessen könne der Kläger Rückzahlung seiner Spieleinsätze nach § 812 Absatz 1, S. 1, 1. Alt. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verlangen. Der zwischen den Parteien geschlossene Spielvertrag sei gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen § 4 Absatz 4 Glücksspielstaatsvertrag (GlüStV) 2012 von Anfang an nichtig gewesen. Nach dieser Vorschrift sei im maßgeblichen Zeitraum das Veranstalten von Glücksspielen im Internet verboten gewesen.

Die Vorschrift des § 4 Absatz 4 GlüStV 2012 sei im fraglichen Zeitraum wirksam und auch materiell mit dem Unionsrecht vereinbar gewesen. Der Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 13 BGB stehe auch nicht entgegen, dass sich die Verbotsnorm des § 4 Absatz 4 GlüStV nur an die Beklagte, nicht jedoch an den Kläger richte. Zwar sei in dem Fall, dass das gesetzliche Verbot nur einen Vertragspartner treffe, regelmäßig nicht von der Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen. Dies sei hier aber anders zu beurteilen, da es dem Sinn und Zweck, insbesondere der Bekämpfung der Spielsucht und dem Jugendschutz, zuwiderlaufe, geschlossene Verträge über Online-Glücksspiele trotz des Verbots als wirksam anzusehen.

Die Rückforderung scheide auch nicht wegen Eingreifens einer Ausschlussnorm aus. § 762 Absatz 1 S. 2 BGB setze eine hier nicht gegebene Wirksamkeit des Spiel- und Wettvertrages voraus. Im Rahmen der Ausschlussnorm des § 817 S. 2 BGB sei zu berücksichtigten, dass die deutschsprachige Internetseite sowie der deutschsprachige Kundenservice der Beklagten dem Grunde nach durchaus geeignet seien, den Anschein von Legalität vermitteln. Auch im Lichte der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ergebe sich keine andere Beurteilung; die vollständige Erfassung oder sogar inhaltliche Auseinandersetzung des Verbrauchers damit könne nicht erwartet werden, namentlich dann nicht, wenn diese lediglich elektronisch abrufbar und von gewissem Umfang seien.

Selbst wenn man annehmen wolle, die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB erfasse auch leichtfertiges Handeln, ergebe sich kein anderes Ergebnis, so das OLG weiter. Denn ein derartiges Handeln des Klägers sei nicht anzunehmen. Insbesondere könne der Inhalt von § 4 GlüStV 2012, zumal bei einem juristischen Laien, nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden. Eine allgemeine Bekanntheit lasse sich auch nicht allein aus Beiträgen in der Presseberichterstattung ableiten; es sei kein solches Ausmaß erreicht, dass eine Kenntnisnahme bei durchschnittlichem Medienkonsum nach der Lebenserfahrung angenommen werden könne.

Soweit die Werbung für Online-Glücksspiele im Übrigen einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis dahingehend beinhalte, das Angebot richte sich nur an Spieler in Schleswig-Holstein, führe auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Eine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes in Deutschland lasse sich daraus nicht herleiten. Jedenfalls bedürfe es einer einschränkenden Auslegung des § 817 S. 2 BGB. Es dürfe nicht außer Betracht bleiben, welchen Zweck das in Frage stehende Verbotsgesetz verfolge. Der Anspruch des Klägers sei im Übrigen auch nicht wegen Rechtsmissbräuchlichkeit ausgeschlossen.

Er ergebe sich zudem aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 4 Absatz 1, 4 GlüStV, § 284 Strafgesetzbuch. Beide letztgenannten Vorschriften seien Schutzgesetze im Sinne von § 823 Absatz 2 BGB und die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt.

Der Anspruch des Klägers sei auch nicht gemäß § 254 BGB aufgrund eines überwiegenden Mitverschuldens ausgeschlossen oder beschränkt. Denn ein Verschulden des Klägers in eigenen Angelegenheiten durch die freiwillige Hingabe des Geldes zu Zwecken des Online-Glücksspiels anzunehmen, liefe Sinn und Zweck des § 4 Absatz 4 GlüStV zuwider und konterkariere auch dessen Charakter als Schutzgesetz.

Die Ansprüche des Klägers seien schließlich auch nicht verjährt, §§ 195, 199 BGB. Der Kläger habe schlüssig und seitens der Beklagten nicht erheblich bestritten dargetan, dass er erst im Jahr 2021 aufgrund entsprechender Berichterstattung in den Nachrichten von der möglichen Unwirksamkeit der mit der Beklagten geschlossenen Verträge erfahren habe. Die Verjährungsfrist habe somit erst mit Ende 2021 zu laufen begonnen.

Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.

Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 31.10.2022, 19 U 51/22