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18.11.2022

«sale and rent back»: Kombinierter Kauf- und Mietvertrag kann wucherähnliches Rechtsgeschäft sein

Kauft ein staatlich zugelassener Pfandleiher gewerblich Kraftfahrzeuge an, vermietet sie an den Verkäufer zurück und verwertet sie nach dem Ende der vertraglich festgelegten Mietzeit durch öffentliche Versteigerung, an der der Verkäufer teilnehmen kann, so kann hierin ein wucherähnliches Rechtsgeschäft im Sinne des § 138 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) liegen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in vier Verfahren entschieden, ein nach § 34 Absatz 4 Gewerbeordnung (GewO) in Verbindung § 134 BGB verbotenes Rückkaufsgeschäft allerdings verneint.

Die Beklage betreibt bundesweit ein staatlich zugelassenes Pfandleihhaus. Im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit kauft sie Kraftfahrzeuge an und vermietet diese unmittelbar an die Verkäufer zurück ("sale and rent back"). Am Ende des Mietverhältnisses gibt sie die Kraftfahrzeuge zur öffentlichen Versteigerung.

In allen vier Verfahren veräußerten die Kläger (Kunden) der Beklagten ihr Kraftfahrzeug. Nach den vertraglichen Vereinbarungen soll das betroffene Kraftfahrzeug nach dem Ende der jeweils für sechs Monate vereinbarten Mietzeit im Wege der öffentlichen Versteigerung, an der die jeweiligen Kläger und auch die Beklagte teilnehmen dürfen, durch die Beklagte verwertet werden. Der vertraglich vereinbarte Aufrufpreis setzt sich jeweils aus dem Ankaufspreis zuzüglich verschiedener weiterer Positionen, wie ausstehender Mieten, nicht ersetzter Schäden und den Kosten der Versteigerung zusammen. Ein in der Versteigerung erzielter Mehrerlös soll den Klägern nach dem Mietvertrag dann nicht zufließen, wenn sie das Kraftfahrzeug selbst erfolgreich im Wege der Versteigerung erwerben.

Die Berufungsgerichte gingen in allen vier Verfahren davon aus, dass nach einer Gesamtbetrachtung von Kauf- und Mietvertrag ein gemäß § 34 Absatz 4 GewO verbotenes Rückkaufsgeschäft gegeben sei. Der Verstoß gegen § 34 Absatz 4 GewO führe gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit der geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge. In drei der Verfahren (VIII ZR 221/21, VIII ZR 290/21, VIII ZR 436/21) sind die Berufungsgerichte ferner davon ausgegangen, dass sich die Nichtigkeit auch auf die jeweilige Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug erstrecke. In einem Verfahren (VIII ZR 436/21) hat das Berufungsgericht zusätzlich eine Nichtigkeit des Kauf- und Mietvertrags sowie der Übereignung des Kraftfahrzeugs wegen Vorliegens eines wucherähnlichen Geschäfts (§ 138 Absatz 1 BGB) angenommen.

Der BGH hat dagegen entschieden, dass zwar kein Verstoß gegen das in § 34 Absatz 4 GewO normierte Verbot des Rückkaufshandels vorliegt und die geschlossenen (Kauf- und Miet-)Verträge daher nicht gemäß § 134 BGB nichtig sind. Jedoch könne ein wucherähnliches Rechtsgeschäft (§ 138 Absatz 1 BGB) – mit der Folge der Nichtigkeit der Verträge – vorliegen. Hierauf wurde die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadenersatz sowie zur Rückzahlung vom Kläger geleisteter Miete in einem Fall (auch) gestützt (VIII ZR 436/21). Diese Verurteilung der Beklagten habe Bestand.

In den weiteren Fällen hat der BGH das allein auf das Vorliegen eines verbotenen Rückkaufshandels nach § 34 Absatz 4 GewO gestützte Urteil des Berufungsgerichts jeweils aufgehoben, damit dieses die – auch dort – seitens der Kläger aufgeworfene Frage des Vorliegens eines wucherähnlichen Rechtsgeschäfts sowie einer wirksamen Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung der Kunden im weiteren Prozessverlauf klären kann.

Das von der Beklagten vorgegebene Vertragsmodell des (gewerblichen) Ankaufs von Kraftfahrzeugen unter anschließender Vermietung an die Kläger (Verkäufer) und späterer Verwertung durch öffentliche Versteigerung unterfalle nicht dem in § 34 Absatz 4 GewO normierten Verbot des Rückkaufshandels, erläutert der BGH. Denn den Klägern werde, anders als es die Vorschrift verlangt, kein Rückkaufsrecht eingeräumt. Um ein solches anzunehmen, genüge nicht allein die Wahl einer Vertragsgestaltung, mit der Pfandleihvorschriften umgangen werden. Es bedürfe vielmehr der Vereinbarung eines Rechts des Verkäufers (Kunden) zum Rückerwerb der Sache, so der BGH. Dies könne auch in Form eines Rücktrittsrechts des Kunden geschehen, da dieser es dann, vergleichbar einem Rückkaufsrecht, in der Hand habe, durch eine eigene Willenserklärung den Rückerwerb der Sache zumindest mittelbar zu vorab festgelegten Voraussetzungen – insbesondere zur Höhe des (zurück) zu zahlenden Kaufpreises – herbeizuführen.

Ein solches Recht sei den Klägern vorliegend nicht eingeräumt worden. Sie hätten lediglich faktisch die Möglichkeit, das zuvor an die Beklagte veräußerte Fahrzeug im Wege der Teilnahme an der öffentlichen Versteigerung durch Zuschlag wieder zurück zu erwerben. Bei einer am Wortsinn der Vorschrift orientierten Auslegung, die auch die sich aus der historischen Entwicklung der Norm ergebende Zielsetzung des Gesetzgebers zu berücksichtigen hat, liege in einem solchen Fall kein verbotener Rückkaufshandel vor.

Einer über diesen Wortsinn hinausgehenden Auslegung der Vorschrift des § 34 Absatz 4 GewO oder (gar) deren analoger Anwendung steht laut BGH vorliegend das sich aus Artikel 103 Absatz 2 Grundgesetz folgende Bestimmtheits- und Analogieverbot entgegen. Denn ein Verstoß gegen die Verbotsnorm des § 34 Absatz 4 GewO sei nach § 144 Absatz 2 Nr. 2 GewO bußgeldbewehrt. Solche Normen dürften, in gleicher Weise wie Straftatbestände, nicht über ihren Wortsinn hinausgehend ausgelegt und auch nicht analog angewandt werden. Dem Verbot einer analogen Anwendung stehe vorliegend nicht entgegen, dass es nicht um die Verhängung eines Bußgelds, sondern um die Beurteilung der Nichtigkeit (§ 134 BGB) zivilrechtlicher Verträge geht. Denn der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung gebiete es, dass ein objektiv gleiches Verhalten nicht einerseits zivilrechtliche Folgen nach sich zieht, andererseits aber eine – grundsätzlich vorgesehene – Verhängung eines Bußgelds aufgrund des Analogieverbots ausscheiden muss.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts im Fall VIII ZR 436/21, dass ein wucherähnliches Rechtsgeschäft vorliegt, sodass der Kauf- und Mietvertrag sowie die sich anschließende Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte nichtig sind, hatte dagegen Bestand. Der BGH bestätigte die Verurteilung der Beklagten zur Leistung von Schadenersatz – in Höhe des Wiederbeschaffungswerts des von ihr versteigerten Fahrzeugs – und zur Rückzahlung der erhaltenen Mieten sowie der Bearbeitungsgebühr, gekürzt um den vom Kläger selbst in Abzug gebrachten Kaufpreis.

Aufgrund des besonders groben Missverhältnisses zwischen dem an den Kläger gezahlten Kaufpreis (5.000 Euro) und dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags bestehenden Händlereinkaufswerts (13.700 Euro) sei eine verwerfliche Gesinnung der Beklagten zu vermuten, so der BGH.

Die angesichts dieser Umstände gegen die Beklagte sprechende tatsächliche Vermutung, dass sie bewusst oder grob fahrlässig einen den Kläger in dessen Entscheidungsfreiheit beeinträchtigenden Umstand zu ihren Gunsten ausgenutzt hat, sei nicht widerlegt. Im Gegenteil sprächen weitere vertragliche Vereinbarung für eine Übervorteilung des Klägers. Denn dieser habe für die Nutzung seines ehemaligen Fahrzeugs eine monatliche Miete in Höhe von 495 Euro gezahlt und zusätzlich sämtliche Unterhaltungskosten (Versicherung, Steuern, Wartung, Reparatur) tragen müssen. Die Miete stelle nicht allein die Gegenleistung für die Nutzungsüberlassung des Fahrzeugs, sondern der Sache nach auch eine "Vergütung" für die Überlassung des dem Kläger durch die Kaufpreiszahlung zur Verfügung gestellten Kapitals dar. Denn in der vereinbarten Mietzeit von sechs Monaten habe der Kläger bereits etwa 59 Prozent des von ihm zuvor erhaltenen Kaufpreises als Miete aufzuwenden.

Einen Mehrerlös nach der – nach Ablauf der Mietzeit erfolgten – Versteigerung erhalte der Kläger nur, wenn das Fahrzeug durch einen Dritten ersteigert wird. Demgegenüber stelle die Beklagte durch die Festlegung der Höhe des Aufrufpreises sicher, dass ihr sowohl der an den Kläger gezahlte Kaufpreis als auch sämtliche Unkosten wieder erstattet werden. Da der Kläger, wenn er das Fahrzeug nach Ablauf der Mietzeit wieder (zurück-)erwerben möchte, zumindest den erhaltenen Kaufpreis an die Beklagte (zurück-)zahlen müsste, trage er auch den während der Mietzeit eingetretenen Wertverlust des Fahrzeugs.

Bundesgerichtshof, Urteile vom 16.11.2022, VIII ZR 221/21, VIII ZR 288/21, VIII ZR 290/21 und VIII ZR 436/21