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30.11.2022

Drogeriekartell: Schadenersatzanspruch Schleckers noch offen

Ob Schlecker gegen am Drogeriekartell beteiligte Hersteller von Drogeriemarkenartikeln einen Schadenersatzanspruch hat, steht noch nicht fest. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein dies mangels Schadens verneinendes Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter von Schlecker. Er verlangt von den Beklagten Schadenersatz in Höhe von mindestens 212,2 Millionen Euro. Schlecker war bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2012 eines der bundesweit größten Einzelhandelsunternehmen für Drogeriemarkenartikel.

Die Beklagten stellen Drogeriemarkenartikel her. Die Preise für die von Schlecker erworbenen Produkte wurden in den Jahren 2000 bis 2012 zwischen der jeweiligen Beklagten und Schlecker bilateral in Jahresvereinbarungen festgelegt.

Das Bundeskartellamt verhängte unter anderem gegen die Beklagten Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot. Nach den Feststellungen des Amts waren die Beklagten in den Jahren 2004 bis 2006 an einem kartellrechtswidrigen Informationsaustausch beteiligt. Im Kern betraf der Vorwurf den Austausch von Informationen über gegenüber Schlecker beabsichtigte und durchgesetzte Bruttopreiserhöhungen sowie über den aktuellen Stand der Jahresverhandlungen mit Schlecker insbesondere hinsichtlich Rabatten und Sonderforderungen.

Der Kläger behauptet, Schlecker habe aufgrund des Drogeriekartells überhöhte Preise für Drogeriemarkenartikel bezahlen müssen. Schlecker sei dadurch ein Schaden in Höhe von mindestens 212,2 Millionen Euro entstanden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte keinen Erfolg. Mit der vom BGH zugelassenen Revision hat der Kläger die geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt. Der Kartellsenat des BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Er hat entschieden, dass ein kartellrechtswidriger Austausch zwischen Wettbewerbern über geheime Informationen, die das aktuelle oder geplante Preissetzungsverhalten gegenüber einem gemeinsamen Abnehmer zum Gegenstand haben, zugunsten dieses Abnehmers den Erfahrungssatz begründet, dass die danach erzielten Preise im Schnitt über denjenigen liegen, die sich ohne die Wettbewerbsbeschränkung gebildet hätten. Betreffen geheime Informationen aktuelles oder geplantes Preissetzungsverhalten, bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass die an dem Informationsaustausch beteiligten Wettbewerber gemeinsam ein höheres Preisniveau erreichen.

Der Annahme dieses Erfahrungssatzes stehe nicht entgegen, dass die Wirkungen eines solchen Informationsaustauschs von den Umständen des Einzelfalls (wie etwa dem auf dem betreffenden Markt herrschenden Bedingungen, dessen Struktur sowie dem mit dem Informationsaustausch verfolgten Zweck) abhängen. Diese Umstände seien vielmehr im Rahmen der Gesamtwürdigung vom Tatrichter darauf zu überprüfen, ob sich daraus Indizien ergeben, die im konkreten Fall den Erfahrungssatz, dem regelmäßig eine starke Indizwirkung zukommt, bestätigen oder entkräften.

Dieser Erfahrungssatz gilt laut BGH auch für das Drogeriekartell, soweit der Informationsaustausch Listenpreiserhöhungen und die Verhandlungen über von Schlecker geforderte Rabatte und Sonderbedingungen zum Gegenstand hatte. Das Berufungsgericht habe zwar einen entsprechenden Erfahrungssatz unterstellt, ihm jedoch rechtsfehlerhaft ein zu geringes Gewicht beigemessen. Seine Annahme, es könne sich keine Überzeugung von einem Schaden Schleckers bilden, beruhte nach Ansicht des BGH auf einer fehlerhaften Gesamtwürdigung der maßgeblichen Umstände und hielt der revisionsgerichtlichen Kontrolle nicht stand.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.11.2022, KZR 42/20