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17.11.2022

Nicht verschreibungspflichtige Humanhomöopathika bei Tieren: Tierarztvorbehalt ist verfassungswidrig

§ 50 Absatz 2 Tierarzneimittelgesetz (TAMG) verstößt gegen Artikel 2 Absatz 1 und Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz (GG) und ist laut Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nichtig, soweit die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger und zugleich registrierter homöopathischer Humanarzneimittel bei Tieren, die nicht der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, unter einen Tierarztvorbehalt gestellt wird.

Die Beschwerdeführerinnen sind als Tierheilpraktikerinnen beziehungsweise Tierhomöopathin tätig und behandeln Tiere mit nicht verschreibungspflichtigen, hochpotenzierten Humanhomöopathika. Nach dem zum 28.01.2022 neu eingeführten § 50 Absatz 2 TAMG dürfen sie solche Humanhomöopathika bei Tieren nur noch dann anwenden, wenn sie zuvor von einem Tierarzt verschrieben oder abgegeben wurden.

Dieser in § 50 Absatz 2 TAMG angeordnete Tierarztvorbehalt verletze die Beschwerdeführerinnen in ihrer Berufsfreiheit (Artikel 12 Absatz 1 GG) und – im Fall einer der Beschwerdeführerinnen, die zugleich Tierhalterin ist – in ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Artikel 2 Absatz 1 GG), soweit die Vorschrift einen Tierarztvorbehalt auch für die Anwendung nicht verschreibungspflichtiger Humanhomöopathika vorsieht, so das BVerfG.

Der damit verbundene Grundrechtseingriff sei nicht verhältnismäßig. Der Gesetzgeber habe vor dem Hintergrund, dass die Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung von Belangen des Tierschutzes und einer Schädigung der Gesundheit von Tier und Mensch als gering einzuschätzen ist und durch die Einführung einer Pflicht zum Nachweis theoretischer Kenntnisse im Bereich der Tierheilkunde weiter gemindert werden kann, keinen verfassungsrechtlich angemessenen Ausgleich vorgenommen, so das BVerfG.

Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29.09.2022, 1 BvR 2380/21 und 1 BvR 2449/21